Couplet AG legt Finger auf politische Wunden und auf Zuschauer-Pickel
Ursensollen. Wenn die Couplet AG auf dem Programm steht, muss sich in Ursensollen keiner Sorgen machen, dass im Kubus Plätze frei bleiben. Ganz im Gegenteil. "Die Rache der Chromosomen" war komplett ausverkauft. Und der Schluss-Beifall bewies, dass Bianca Bachmann, Jürgen Kirner, Bernhard Gruber und Berni Filser auch im 25. Jahr ihrer Bühnenpräsenz den Nerv der Zeit treffen, vielfach hintergründig, und den Finger genau dort in die Wunden drücken, wo es weh tut.
Der Gustl (Berni Filser) ist den ganzen Abend lispelnd auf der Suche nach Strom. Den hätte er gebraucht, um seine Brotzeitbrettln mit dem Lötkolben zu tätowieren. Bei seiner Tante hat er das mit einer heißen Stricknadel schon geübt.
Die liebe Familie
Die liebe Verwandtschaft, die man sich nicht aussuchen kann, nimmt die Couplet AG aufs Korn. Kommen die Angehörigen zu Besuch, wollen sie einfach nicht mehr gehen, fressen alles zusammen und saufen den Weinkeller leer. Hat die Tante ihren Besuch angekündigt, sollte die möglichst nach dem Kaffee kommen und vor dem Abendessen wieder gehen.
Wenn man keine Kinder hat, bleibt einem viel erspart, meint Jürgen Kirner. Man könne ja immer noch ein Kind aus Afrika samt dessen Familie adoptieren. Und wenn man dann den Hof an das Kind übergeben hat, zieht man einfach nach Afrika und lässt sich dort vom Groß-Clan des Kindes pflegen.
Und noch eine Anregung: Wenn es mit der Landwirtschaft nicht mehr hinhaut, dann wird der Saustall zum Wallfahrtsort umfunktioniert - mit einer Heilquelle, in der man nackert baden kann. Dann ist die neue Hackschnitzelheizung bald abbezahlt. Die Lobbyisten überlegen, wie sie ihre Interessen in der Politik platzieren können. Wenn die kleinen Leute auf der Strecke bleiben, wenn kümmert's? Der zur Gewalt neigende Kevin zieht ins Diktatoren-Camp und gewinnt die RTL-Show.
Nicht gerade gute Freunde sind Jürgen Kirner und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, dem der Kabarettist eine "koreahafte" Gesichtsform andichtet. Die Couplet AG macht sich auch Gedanken darüber, wie man die verstrahlten Findlinge aus der Rhön entsorgen könnte. Das übernimmt ein Lobbyist. Er schafft die Steine in den Iran, denn dort sei der Bedarf groß - für Steinigungen.
Und dann sucht Jürgen Kirner im aus der Mode gekommenen Bademantel seine Flasche, die auch die Frau Merkel haben könnte, denn die sei derzeit mit ihrem Diesel in Bayern unterwegs. Pfandflaschensammeln sei für Rentner ab 67 Jahren die einzige Möglichkeit, das Einkommen etwas aufzubessern, "denn in bundesweiten Tonnen schlummern manche Leckereien". Trump nennt Kirner eine sprechende Perücke, der den Klimawandel einfach für beendet erklärt hat. Und Söder einen Mini-Jobber aus Franken.
Attacke in der ersten Reihe
Den "Dr. Google" nimmt die Couplet AG ebenfalls in den Fokus. Es sei schon erstaunlich, wie man sich in der Online-Praxis gesundgoogeln lassen kann. Mit Extrem-Senioren-Reisen könnten die Rentenkassen entlastet werden, falls die Alten die Tortur nicht überleben.
Sitzt man bei der Couplet AG in der vordersten Reihe, muss man mit Attacken rechnen. Sei es, dass Bianca Bachmann einem überrumpelten Besucher leidenschaftlich die Pickel ausdrückt oder dass die Ramona permanent damit rechnen muss, dass der Gustl sie doch noch auf die Bühne zerrt. Was ihr zwar mehrfach angedroht wird, letztlich aber doch erspart bleibt.
Bayerns letzter SPDler
Einen Trauerkranz mit Schleife trägt Jürgen Kirner vor sich her, bedauert und betrauert damit seinen Stammtischkumpel Heinrich, den dahingeschiedenen letzten bayerischen SPDler. Ohne Zugabe kommt die Couplet AG natürlich nicht davon. Dafür gibt es "Söder rektal", das Zapferl, das hilft, wenn man nichts kann, aber trotzdem Chef von irgendwas werden will.
Allerbestes bayerisches Musikkabarett war geboten - mit platzierten Sticheleien, die saßen, aber niemals unter die Gürtellinie zielten.