Aktuelle Kritik

Jürgen Kirner (von links), Bernhard Gruber, Berni Filser und Bianca Bachmann Jürgen Kirner (von links), Bernhard Gruber, Berni Filser und Bianca Bachmann gm

Schmissig und frech - Musikkabarett in der Stadthalle

Dingolfing. (gm) Mit dem neuen Programm „Wir kommen – die Rache der Chromosomen“ der vor fünf Jahren zuletzt in Dingolfing gastierenden Couplet-AG ist der Theaterbühne in der Stadt ein kabarettistisches Highlight ersten Ranges geschenkt worden. In Szene gesetzt von Regisseur und Autor Dieter Woll ist den vier fantastischen Musikkabarettisten ein tiefer Einblick in die Abgründe der menschlichen Seele geglückt, mit bitterböser Satire, purem Witz, tiefgründigem Charme und einer Mordsgaudi.

Mit einem Trommelwirbel erfolgte der Einzug der Couplet-AG auf die Bühne: Allen voran der unvergleichliche Jürgen Kirner, gefolgt von der kongenialen Bianca Bachmann und den beiden ausgezeichneten Musikern Bernhard Gruber an seinem Akkordeon und dem Gitarristen Berni Filser aus Dingolfing.

An die 500 Besucher bereiteten dem Quartett einen fulminanten Empfang, dann eröffnete Jürgen Kirner mit dem Song „Jeder kennt so einen Typen“ einen Reigen von munteren Reden, Witzen und Kalauern, untermalt von der mitreißenden Begleitmusik. Gleich in die Vollen geht es mit dem Duo Kirner/Bachmeier in puncto Paarbeziehung, als es heißt „Wir lieben sie halt, unsere Lieben, bis zur bitteren Neige“, in dem ein von jahrzehntelanger Hassliebe gekennzeichnetes Paar überzeugend im Duett dargestellt wird. Der Gustl, alias Berni Filser, ist eine neue Figur. Stark lispelnd, übt er sich im Sprücheklopfen, egal worüber, nervt seinen Freund, den Otto (Bernhard Gruber) und macht sich an die Zuschauerinnen in der ersten Reihe heran: „Die schaut so freundlich her“, aber Otto verweigert eine Umarmung.

Die zwei werden abgelöst vom Quartett aus Amerika, in lange Kutten gewandete Sektenmitglieder, die ganz genau wissen, dass der „Trump den Klimawandel durch sein Leugnen einfach beendet hat“. Dann singen Kirner und Bachmann als Bauersleute gekleidet, in einem starken Auftritt ganz schön grob von der schweren Arbeit, den Umweltsünden, dem Glyphosat und dem Kunstdünger, aber auch von der Kostennutzungsrechnung, die zur Folge hat, dass sie sich keine eigenen Kinder anschaffen wollen. Aber, die geforderte Nachhaltigkeit, die gibt‘s von dem Adoptivkind aus dem Kongo, das einen dann im Alter wenigstens pflegt. Ein trauriger Abgesang, zusammengefasst im Lied „Früher war des anders“. Berührend und wehmütig werden das Alter und die verflossene Liebe angesprochen, aber so voller Sarkasmus, dass die große Bitterkeit fast überdeckt wird.

Dann geht’s weiter um den Stall, der zum Wallfahrtsort umgebaut wird, und das heilbringende Wasser. Ja, wozu das alles? „Ja, die Hackschnitzelheizung muss endlich abbezahlt werden!“ Berni Filser hat ein großes Solo als Gustl und produziert eine Reihe von sinnlosen Sprüchen, er wird zum Sohn und Wunderkind Kevin des Ehepaars Kellermanns hochgejubelt. Im Song um den Zuckerjoint wird der Diätenwahnsinn vieler Zeitgenossen aufs Korn genommen, bei dem Jürgen Kirner ins Publikum hinabsteigt und Würfelzuckerbrösel verteilt. Zum Schluss fordern die vier von den Krankenkassen das „Glas Nutella für die kollektive Glückseligkeit“.

Bianca Bachmann mit der Bierflasche in der Hand jammert übers Alleinsein, der Butzi, ein fantastischer Jürgen Kirner, leistet ihr Gesellschaft beim „zweiten Semmerl, wo ‘s schon geklappt hat mit der Liebe“. Ihr Abgang ist gewaltig, ein weiteres Bier am Leberwurst-Tag, „an dem mia mei Leber wurscht ist“. Ein abgrundtiefes, bissiges Schunkellied, das es den alltäglichen Wahnsinn zu glänzend parodiert. Jürgen Kirner prunktete auch in der Rolle der Schwarzen Madonna, aber er ist ein dubioser Security Mann, der mit slawischem Akzent überzeugend räsoniert und brillant von Gitarre und Akkordeon begleitet wird. Bianca Bachmann im grünen Abendkleid räkelt sich lasziv auf einem Stuhl, sehnt sich so sehr nach Begegnung und Berührung, dass sie das Publikum in der ersten Reihe aufsucht. Eindringlich und bewegend wird der normale, private Irrsinn von Menschen gezeigt, aber auch die bissige, politische Satire über die aussterbende SPD hat ihren Platz.

Alle Register beherrschen die vier von der Couplet-AG, die den Zuschauern die Abgründe der menschlichen Psyche vor Augen führen. Oft erschreckend, immer in einer klaren Linie überzeugend, bieten die Darsteller ein grandioses Musikkabarett. Das Publikum dankte mit fulminanten Applaus für den amüsanten, schillernden Abend. Am 7. April treten die Mitglieder der Couplet-AG im Bayerischen Fernsehen in der Sendung „Brettlspitzen“ auf.

Additional Info

  • Quelle: Dingolfinger Anzeiger
  • Autor: gm
  • Datum: 26.02.2019